
Program Management in der Automobilproduktion: Integration unterschiedlicher Bereiche je nach Kundenanforderung
Jedes Fertigungsprojekt hat grundsätzlich einen Beginn und ein Ende und wird während der gesamten Laufzeit durch das Program Management begleitet und gesteuert. Bei einem größeren Fertigungsauftrag sind in der Realität Projekte in unterschiedlichen Bereichen betroffen. Sind diese zusammenzufassen, wird von Programmmanagement gesprochen.
Je nachdem, ob es sich um eine Erst- oder Zweitfertigung handelt, ist bei einem Fertigungsprojekt auch die Produktentwicklung betroffen. In anderen Fällen muss die Fertigung eines bereits final entwickelten Fahrzeugs in die bestehenden Abläufe im Werk integriert werden. In die einzelnen Programme, die alle Hauptprozesse der Fahrzeugfertigung zusammenfassen, sind somit beispielsweise die Bereiche Entwicklung, Produktion und Supply Chain Management miteingebunden.
In jedem Fall und unabhängig von der genauen Definition der Projekte definiert sich das Program Management als Klammer über Produktentwicklung, Produktionsintegration und Supply-Chain-Entwicklung.
Program Management startet, wenn die Umsetzung eines Potenzials wahrscheinlich wird
Der erste Aufschlagpunkt eines potenziellen Kunden ist in der Regel der Sales-Bereich. Bei einem neuen Projekt wird zuerst eine Angebotsprojektleitung definiert, die vorab wichtige Eckpunkte des Projektes festlegt.
Die konkrete Arbeit im Programmmanagement beginnt, sobald ein potenzielles Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Akquise- oder Angebotsphase in die Umsetzungsphase übergeht. Dies ist der Zeitpunkt, an dem das Projekt zum Auftrag wird und die Vertragsgestaltung sowie die Ausarbeitung der technischen Umsetzung in den Fokus rücken. Die zuständigen Programmmanager_innen können gleichzeitig das Angebot leiten und sind somit bereits in die vorherigen Angebotsverhandlungen mit dem Hersteller eingebunden.
Dies ist sowohl für Kunden und das produzierende Unternehmen vorteilhaft. Denn so wird ein konsistenter Informationsfluss gewährleistet und alle Parteien erhalten Zugang zu den Anforderungen und Zielen des Programmes. Dies betrifft sowohl die inhaltlichen Aspekte als auch die zeitlichen Vorgaben. Dabei fungieren Programmmanager als zentrale Schnittstelle, bei der alle Informationen zusammenlaufen. Sie sind der Hauptansprechpartner für den Kunden, also der Partei, die das Fahrzeug in Verkehr bringt. Sie kennen die Herausforderungen des Projekts in den verschiedenen Phasen genau.
FÜHRUNGSKRÄFTE DER EINZELNEN BEREICHE SIND FRÜHZEITIG MIT IM BOOT
Je konkreter das Projekt wird, desto wichtiger ist es, die Führungskräfte der einzelnen Bereiche einzubeziehen. Dadurch stellt man sicher, dass der Kunde eine konsistente Zusammenarbeit mit dem Auftragsfertiger erlebt. Er hat von Anfang an die gleichen Ansprechpartner und weiß, an wen er sich wenden kann.
Alle Beteiligten verfügen in jeder Phase über denselben Informationsstand: Das Angebots- und später das Programmteam sind detailliert darüber informiert, was mit dem Kunden vereinbart wurde und welche kritischen Themen besondere Aufmerksamkeit erfordern.
UNTERSCHIEDLICHE SZENARIEN MIT SINNVOLLER AUSLAGERUNG DER PRODUKTION FÜR DEN FAHRZEUGHERSTELLER
Prinzipiell gibt es unterschiedliche Gründe, warum ein Hersteller die Automobilproduktion an einen Auftragsfertiger auslagern sollte. Der für den Fertiger umfangreichste Fall ist, dass er als General Contractor die gesamte Produktion übernimmt.
Eine weitere Möglichkeit ist die Split-Fertigung, bei der Produktionsvolumina für bestimmte Märkte marktnah hergestellt werden, oder die Abdeckung von Produktionsspitzen, die die eigenen Kapazitäten des Herstellers übersteigen. Zudem kann die Auslagerung der Auslauffertigung eines weiterhin nachgefragten Fahrzeugtyps, der sich dem Ende seiner Produktlaufzeit nähert, eine sinnvolle Option sein. (Link https://www.magna.com/de/stories/inside-automotive/flexible-solutions/auftragsfertigung)
KLARE PROZESSE UND METHODIK FÜR DIE UMSETZUNG
Die Methodik des Program Managements folgt einem Stage-Gate-Prozess mit klar definierten Gates, Meilensteinen und den entsprechenden Deliverables. Entlang der Meilensteinkette werden die unterschiedlichsten Aktivitäten simultan ausgeführt (Produktentwicklung, Supply Chain Development und Produktionsprozessentwicklung), um die Terminschiene und Änderungskosten zu späteren Zeitpunkten so gering wie möglich zu halten – dies nennt man auch Simultaneous Engineering.
Im Falle eines Auftragsfertigers müssen diese Prozesse und Methodiken einerseits klar definiert sein. Sie müssen jedoch auch eine entsprechende Flexibilität bieten, um sich an den jeweiligen Kunden anzupassen und sich mit ihm zu synchronisieren.
PROGRAMMZIELE JE NACH EINZELFALL UNTERSCHIEDLICH
Je nach Geschäftsmodell der Automobilproduktion entscheidet sich, wo der Auftragsfertiger in ein Fahrzeugprojekt des Herstellers einsteigt. Bei einem traditionellen Modell ist davon auszugehen, dass die Vorstellungen bereits genau definiert sind. Diese Hersteller haben ihre eigenen internen Prozesse, Teilebaukästen und Plattformen und eine sehr konkrete Vision des Fahrzeugaussehens. Der Fertigungspartner bekommt hier in der Regel ein detailliertes Lastenheft, in denen das Fahrzeug bereits klar definiert ist und in dem die Ziele des Fahrzeugs abgebildet sind. Es existiert somit ein eindeutiger Zielekatalog, der umzusetzen ist.
Der Auftragsfertiger hat die Aufgabe, in der Lieferkette und Produktion effiziente Lösungen für die Fertigung des Fahrzeugs zu entwickeln. Dabei soll man die Einmalkosten gering halten und Investitionen durch die Nutzung bestehender Anlagen minimieren. Gleichzeitig erarbeitet man optimierte Lösungen für die laufenden Kosten. Der gesamte Business Case muss stets im Blick behalten werden und wird auch oft gemeinsam mit den Kunden entwickelt. Es ist schließlich im Interesse des Auftragsfertigers, dass das fertige Fahrzeug am Markt erfolgreich ist und die geplanten Stückzahlen erreicht werden.
FESTLEGUNG DER WERTSCHÖPFUNGSTIEFE ESSENZIELL
Je nach Einzelfall legt der Hersteller schon vorab fest, welche Lieferanten für ein Projekt in Frage kommen. Bei vielen Baugruppen kann aber auch der Fertigungsbetrieb entscheiden, welche Komponenten man als fertige Module zukauft und welche man inhouse herstellt oder zumindest montiert. Dazu ist vor allem das projektierte Lifetime Volume zu berücksichtigen, also der Stückzahlverlauf über die Laufzeit des Programms.
Ein wichtiger Aspekt des Program Managements ist auch die Logistik: Wie kommen die Teile möglichst effizient und zuverlässig vom Lieferanten ins Werk? Wie vom Werk ans Produktionsband? Hier muss man den optimalen Mittelweg finden, um einerseits möglichst wenig Kapital in Lagerbeständen zu binden und andererseits hohe Sicherheit für den Fall eventueller Lieferkettenunterbrechungen zu haben.
NEW ENTRANTS ERFORDERN ANDERE VORGEHENSWEISE BEI PROGRAMMZIELDEFINITION
Bei Projekten, die mit neuen Fahrzeugherstellern aufgesetzt werden sollen, muss der Auftragsfertiger wesentlich früher einsteigen. In diesen Fällen ist der erste Aufschlagpunkt der Bereich Entwicklung. Je nach Einzelfall kann ein Auftragsfertiger wie Magna hier die gesamte Entwicklung eines Fahrzeugtyps übernehmen, von dem lediglich grobe Eckdaten feststehen: Fahrzeugtyp, Antriebskonzept, angepeilte Zielmärkte und die Positionierung im Markt.
Das Program Management muss gemeinsam mit dem potenziellen Hersteller zunächst die Ziele des Fahrzeugs erarbeiten, einschließlich der technischen Ziele. Diese sollte man aus den Marktgegebenheiten und dem Wettbewerbsumfeld im anvisierten Segment ableiten. Der Hersteller sollte sich der gewünschten Alleinstellungsmerkmale (Unique Selling Proposition, USPs) des Fahrzeugs im Markt bewusst sein und diese zusammen mit dem Entwicklungspartner definieren.
Basierend auf diesen ersten Festlegungen gilt es danach, mögliche Spenderplattformen und Übernahmeteile zu identifizieren. So lassen sich die Kosten und die Terminschiene für den Kunden reduzieren. Fallen Entwicklungsdienstleister und Produktionspartner zusammen, wie es bei Magna der Fall ist, kann dabei leichter das Optimum gefunden werden.
Denn naturgemäß stehen unterschiedliche Programmziele in Widerspruch zueinander, was auch als Zielkonflikt bezeichnet wird. Jede Rolle im Programm versucht, die Ziele zu erreichen, wobei es die Aufgabe der Programmmanger_innen ist, Zielkonflikte zu balancieren und das mögliche Optimum zu erreichen.
Spezifische Vorteile eines erfahrenen Multi-OEM-Fertigers als Produktionspartner
Durch die Vielzahl an bereits abgeschlossenen und noch laufenden Fertigungsprogrammen für ganz unterschiedliche Fahrzeughersteller kann ein Multi-OEM-Serienfertiger wie Magna auf ein hohes Maß an Erfahrung einerseits und auf ein bestehendes globales Lieferantennetz zurückgreifen. Das erleichtert dem Program Management die Arbeit – und verkürzt damit die Vorbereitungszeit. Das stellt für den Hersteller einen Wettbewerbsvorteil dar, weil das neue Fahrzeug schneller auf den Markt gelangt und sich Einmalkosten reduzieren lassen.
Ein professionelles Program Management kann in einigen Fällen dem Hersteller dank profunder Kompetenz auch mögliche Kooperationswege aufzeigen – selbstverständlich unter Wahrung des Produktschutzes und der Geheimhaltung von Know-how. So kann der Fertigungspartner sogar zum Bindeglied zwischen unterschiedlichen Herstellern werden und dadurch Synergien auslösen.
Kundennähe und Kostenersparnis durch globale Organisation
Ein weltweit aufgestellter Fertigungspartner der Automobilproduktion hat für den Hersteller – egal, auf welchem Erdteil – den großen Vorteil, immer Ansprechpartner zur Verfügung zu haben, die sich in guter räumlicher Distanz und der gleichen Zeitzone befinden. Das kann nicht nur helfen, Reisekosten zu minimieren. Es erleichtert auch die Online-Kommunikation, beschleunigt somit Prozesse und erweitert das Zeitfenster zur Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen.
Daraus ergeben sich auch Kostenvorteile: Unabhängig davon, ob die Fertigung im eigenen Werk des Herstellers oder bei einem Auftragsfertiger erfolgt, ist die teuerste Phase eines Fahrzeugprojekts stets diejenige, in der die Fahrzeuge noch keine ausreichende Stückzahl erreicht haben und noch nicht verkauft werden. Erst mit dem Verkauf fließt Geld zurück, das die getätigten Investitionen deckt. Jede Verkürzung dieser Phase stellt daher einen wirtschaftlichen Vorteil dar.
BESTEHENDE PRODUKTIONSINFRASTRUKTUR BESCHLEUNIGT SERIENANLAUF
Für einen New Entrant, der noch nicht über eigene Werke und eine eigene Produktionsinfrastruktur einschließlich der erforderlichen Lieferkette verfügt, bringt die Vergabe der Produktion an einen erfahrenen Auftragsfertiger von Anfang an besondere Vorteile. Denn der Bau oder Erwerb einer eigenen Fabrik erfordert nicht nur hohe Investitionen, sondern kostet auch viel Zeit, bis das Produkt auf dem Markt ist. Auch hier kann ein professionelles Program Management die beste Lösung für beide Parteien finden.
DATENTAUSCH MIT BRANCHENÜBLICHEN UND EIGENEN TOOLS
Mit zum Program Management gehört auch die IT-Seite. Schon bei der Vorbereitung von Projekten ist der reibungslose Datenaustausch zwischen Hersteller, Fertigungsbetrieb und allen relevanten Komponenten- und Modulzulieferern von essenzieller Bedeutung. So herrscht Klarheit in allen Bereichen und alle Stakeholder sind auf dem gleichen Stand. Der Auftragsfertiger bedient sich deshalb hier branchenüblicher IT-Lösungen, muss sich andererseits aber auch flexibel auf die jeweiligen Sonderlösungen der Partner einstellen können.
Sind beim Hersteller noch keine entsprechenden Systeme etabliert (etwa wenn es sich um einen New Entrant handelt) wird ein allseitig kompetenter Fertigungspartner eigene Lösungen anbieten, um die erforderlichen Prozesse zuverlässig abbilden zu können – von der Überwachung und Steuerung des Materialflusses bis hin zu der erforderlichen Dokumentation während der Automobilproduktion. Auch das kann die Zeit verkürzen, bis das Fahrzeug tatsächlich produziert und verkauft werden kann. Schon in der Ausschreibungsphase jedes Projektes wird daher festgelegt, welche Systeme während dem Programm zum Einsatz kommen – beispielsweise für den Austausch von und die Konstruktion mit CAD-Daten.
FLEXIBILITÄT, WENN SICH DAS PROJEKT ANDERS ENTWICKELT ALS GEPLANT
Auch, wenn noch so sorgfältig geplant und vorbereitet wird: Bei jedem Programm werden unvorhersehbare Herausforderungen auftreten. Auch hier ist das Programm oder Projekt Management gefragt. Es muss umgeplant und Prozesse geändert werden, um Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Es ist in jedem Fall wichtig, einen möglichst genauen Planungsstand zu haben. Meistens ist es auch hilfreich, einen Plan B für gewisse Risiken parat zu haben. Dieser muss selbstverständlich vorher mit dem Kunden offen besprochen worden sein. Dennoch muss der Auftragsfertiger bereit und in der Lage sein, sich an veränderte Gegebenheiten und neue Anforderungen flexibel anpassen zu können.
AUSBLICK: TRENDS IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE UND AUSWIRKUNGEN AUF DAS PRODUKTIONSPROGRAMM BEIM AUFTRAGSFERTIGER
Nach einer Phase zunehmender Segmentierung scheint der Trend in der Automobilindustrie bei neueren Herstellern nun dahin zu gehen, die Komplexität der Modellpaletten der Hersteller wieder zu reduzieren. Dies vereinfacht sowohl die Produktionsplanung als auch die Produktionssteuerung erheblich.
Unterstützt wird dieser Trend durch das Konzept des softwaredefinierten Fahrzeugs: Funktionen und Optionen werden hardwareseitig standardmäßig in das Fahrzeug integriert, aber erst durch eine softwareseitige Freischaltung für den Endkunden zugänglich gemacht. Diese Freischaltung kann auch temporär im Rahmen von Abonnementmodellen erfolgen. Dadurch reduziert man die Variantenzahl am Band. Erscheinungen, wie sie vor wenigen Jahren noch üblich waren, nämlich dass von 100.000 gefertigten Fahrzeugen nur wenige wirklich identisch waren, werden künftig kaum noch auftreten.
Das vereinfacht die Arbeit in Programmen sowie den erkennbaren Trend zu immer mehr Kooperationen unterschiedlicher Hersteller in der Entwicklung. Wenn sich mehrere Fahrzeuge eine gemeinsam entwickelte Plattform teilen, ist es für einen Multi-OEM-Fertiger wie Magna einfacher, Volumina unterschiedlicher Kunden zu bündeln – und damit auch zu balancen. Diese Möglichkeit muss man bereits im Program Management mitberücksichtigen.
Weiter zunehmen wird auf jeden Fall der Einsatz von künstlicher Intelligenz für die Planung der Automobilproduktion. Mit den zunehmend umfangreicheren Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz (KI) bietet, eröffnen sich neue Perspektiven für die virtuelle Absicherung von Fertigungsprozessen und die Simulation in der Entwicklung. Dies ermöglicht eine Vereinfachung und Verkürzung der Produktionsentwicklung. Dadurch kann der allgemeine Trend, der auf schnellere und kostengünstigere Prozesse abzielt, unterstützt werden.
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