WAS IST WICHTIGER: DAS PRODUKT ODER DER MARKT?
Eine wichtige Frage steht im Raum: Soll ein Fahrzeug an seinen Zielmarkt angepasst werden oder umgekehrt? Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Es ist klar, dass Schlüsselmerkmale einer Fahrzeugvision nicht geändert werden sollten, um sie an einen anderen Markt anzupassen. Während der Erstellung des CMP kann sich jedoch herausstellen, dass ein Fahrzeug, aus welchen Gründen auch immer, den beabsichtigten Zielmarkt nicht bedienen kann oder dass der Zielmarkt einfach nicht ausreicht, um zufriedenstellende Umsätze zu generieren.
Der CMP sollte in erster Linie reflektieren, was ein Startup mit seinem Fahrzeug am Markt erreichen will. Wenn das vorgestellte Fahrzeug den Offroad-SUV-Markt ansprechen soll, dann sollte es natürlich über entsprechende Funktionen, Geländegängigkeit, einen robusten Rahmen und ein zum Image passendes Styling verfügen. Wenn der Haupt-USP eines Fahrzeuges jedoch ein modernes, futuristisches Fahrerlebnis ist, dann sollte es natürlich weniger auf Nutzwertaspekte ausgerichtet sein, sondern vielmehr auf Faktoren wie ein futuristisches Styling, HMI (Human Machine Interface) oder Geschwindigkeit und Beschleunigung setzen.
Wenn ein Fahrzeug-Hersteller offen für die Anpassung von Funktionen ist, um einen größeren Markt anzusprechen, dann sollten diese unbedingt in einem frühen Stadium der Fahrzeugentwicklung in das Konzept eingearbeitet werden. Je später nämlich ein Fahrzeugkonzept angepasst wird, desto zeit- und kostenintensiver werden die Änderungen.
GRUNDVORAUSSETZUNG #2: BENCHMARKS SETZEN
Sind der Zielmarkt und damit auch die Zielkund_innen bekannt, ist der nächste Schritt die Wettbewerbsanalyse des jeweiligen Marktsegments. Dieser Prozess wird Benchmarking genannt und dient dazu, Startups einen Überblick über das aktuelle Angebot an Konkurrenzprodukten auf ihrem Zielmarkt zu geben. Andere Fahrzeuge innerhalb desselben Marktes werden basierend auf dem CMP ausgewählt und verglichen, um eine greifbare Messlatte zu schaffen, die das Startup zumindest erreichen, idealerweise überbieten muss.
Wenn beispielsweise ein Startup beabsichtigt, ein Elektrofahrzeug (BEV – Battery Electric Vehicle) für Langstreckenfahrer auf den Markt zu bringen, wäre ein natürlicher Maßstab das Fahrzeug mit der derzeit höchsten Reichweite. Ein beispielhaftes Benchmark-Fahrzeug dafür könnte der Anfang 2021 vorgestellte Mercedes Vision EQXX sein. Laut seinem Entwicklungsteam bietet der Mercedes Vision EQXX eine Reichweite von über 1.000 km (648 Meilen) mit einer einzigen Ladung, was ihn zu einem signifikanten Benchmark-Fahrzeug für diese Messgröße macht.1
WELCHE BENCHMARKS SOLLTEN GEWÄHLT WERDEN?
Bei der Auswahl von Benchmark-Fahrzeugen ist es ratsam, sich nicht nur auf eine einzelne Messgröße zu konzentrieren, sondern darauf, wie sich das herausstechendste Merkmal dieser Fahrzeuge in Relation zu all ihren anderen Features verhält. So erreicht beispielsweise der bereits erwähnte Mercedes Vision EQXX eine hohe Reichweite durch die Kombination von effizienter Aerodynamik und einem leistungsstarken Batteriepaket. Sein Preis liegt jedoch bei knapp 100.000 £ und bietet nur eine vergleichsweise durchschnittliche Beschleunigung. Während andere Fahrzeuge eine so hohe Reichweite möglicherweise nicht erreichen, können sie diesen Faktor durch verschiedene Messgrößen wie eine höhere Höchstgeschwindigkeit, bessere Beschleunigung oder eine überzeugende E/E-Architektur (Elektrik/Elektronik) mildern. Andere vergleichbare Fahrzeuge wiederum überzeugen sehr wohl durch ihre Reichweite, erzielen diese allerdings mit anderen Mitteln, beispielsweise mit einem anderen Batteriepack.
Letztlich ist es wichtig, bei der Suche nach geeigneten Benchmark-Fahrzeugen den Blick über den Tellerrand zu werfen. Ein gutes Benchmarking liefert Informationen zu einer Vielzahl von Faktoren und sollte Startups nicht nur die zu erreichenden Zahlen liefern, sondern auch unterschiedliche Ansätze, potenzielle Nachteile und praktikable Alternativen aufzeigen, die ihnen dabei helfen, auf ihrem Zielmarkt bestehen zu können. Folgende Faustregeln sind zu beachten:
- Wählen Sie immer mindestens drei Benchmark-Fahrzeuge – idealerweise mehr.
- Beziehen Sie immer den Marktführer mit ein, aber behalten Sie auch Alternativen im Auge.
- Vergleichen Sie immer alle relevanten Kennzahlen der Benchmark-Fahrzeuge.